Das Werk von Bohn habe ich gerade nicht zur Hand. Solange ich aber nicht durch mir noch unbekannte Belege eines Besseren belehrt werde, glaube ich nicht, daß es jemals eine längere Fassung der Dissertation als die gedruckte gegeben hat. Warum sollte Frl. Petri ihre Arbeit freiwillig kastriert haben? Als promovierte Jungakademikerin ist man normalerweise stolz wie Oskar auf sein Werk und streicht in der Fassung, mit der man die Welt beglückt, freiwillig kein Jota weg, vorausgesetzt, es gibt keine einschlägige Auflagen des Dekanats bei der Erteilung der Druckfreigabe, was aber eigentlich kaum denkbar ist. Und warum der "gesamte archivalische Teil", von dem in der Arbeit ebensowenig wie von intensiven Forschungen in Archiven und Bibliotheken die Rede ist (lediglich Erwähnung eines Zufallsfundes auf S. 62), weggefallen sein sollte, erschließt sich mir auch nicht. Dieser "Papierkram" kann für manchen Forschungsaspekt sehr interessant sein. Es gibt ja auch Menschen, die sich brennend für die Anzahl der Brücken in Entenhausen interessieren. Nein, ich bleibe dabei: einen weggekürzten Teil der Arbeit gab es nie. Und die lange Zeitspanne zwischen Rigorosum und Publikation erklärt sich vielleicht auch so, daß Frl. Petri sich vergebens um die Veröffentlichung in einer anerkannten kunstgeschichtlichen Reihe bemüht hat, z.B. in den Veröffentlichungen der Abt. für Slavische Sprachen o.ä. Eine solche hatte und hat ja neben der Reputation den Vorteil, daß solche Veröffentlichungen von der Fachwelt viel eher wahrgenommen werden, daß man weniger Pflichtexemplare abgeben muß, und daß der Druck evtl. kostenlos oder jedenfalls billiger ist als ein selbst zu finanzierender Dissertationsdruck, der im akademischen Raum ein Begräbnis zweiter Klasse ist. Wenn man allerdings nur die zwei Buschstaben vor seinem Namen haben will, um seine Umwelt zu beeindrucken und Karriere in der CDUSPDFDP zu machen, und sonst keine weiteren akademischen Ambitionen hegt, dann reicht das natürlich. Die irrige Angabe "1 Portr." findet sich übrigens auch im Katalog der Bamberger UB. Im Katalog der StaBi Berlin ist merkwürdigerweise vermerkt: "Diss. v. 19. Sept. 1935", übrigens ein Donnerstag, vielleicht zu erklären durch den Eingang des Tauschexemplars an diesem Tag und eine Fehlleistung des Bibliothekars. Kann es sein, daß die Zentralbibliothek über keine Kopie der Arbeit verfügt? Da ich aus weltanschaulichen Gründen kein Mitglied des Vereins bin und dehalb keinen Zugang zum Katalog habe, weiß ich das nicht. Die Arbeit liegt vor mir, einer Kopierung und Zusendung steht nichts im Wege, falls gewünscht.