Internationale Fernsehkonferenz am 24. September 2022

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Coolwater

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03.11.2022, 06:13:49

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@coolwater

Um noch mal auf den Kern zurückzukommen, den "Perron". Nach meiner Röschersche wurde das Ersatzwort "Bahnsteig" im Jahre 1887 aus der Taufe gehoben. Billigen wir dem "Perron" zu, er trat nicht sofort von der Bühne ab, sondern focht noch lange gegen den "Bahnsteig" um sein Leben, und nehmen wir an, der "Perron" focht nicht zuletzt wegen der Sprachnähe zu Sibirien in Straubing länger als in Wilhelmshaven – gestehen wir dem "Perron" also großzügig noch eine Lebenszeit von hundert Jahren zu, dann können wir ihn zum 1. Januar 1988 für tot erklären. Dies fügt sich vortrefflich, denn meine Bayernbahnfahrten, da niemand mehr vom "Perron" sang, unternahm ich Anfang der neunziger Jahre. Eduard Engel meint in seiner Deutschen Stilkunst, "Bahnsteig" sei hübsch ersonnen, doch noch hübscher wäre "Steig" gewesen. Der Mensch hat recht. Die "Briefmarke", gleichfalls ein Kind des 19. Jahrhunderts, ist ebenfalls umständlich übergenau. "Marke", wie man denn auch manchmal dazu sagt, tät's ebenso. So, funzt jetzt die Hochlade? Beim letzten Absatz mit dem Henker und dem Tisch mußte ich lachen.

03.11.2022, 17:41:44

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paTrick

@patrick

Mein werter Kühlwasser Es ist Zeit, Dich auf einen Irrtum hinzuweisen, dem leider viele (Nord)Deutsche unterliegen: Die deutsche Sprache ist nämlich, wie jede andere lebendige Sprache, nicht durch irgendeine (norddeutsche) Norm definiert, sondern ausschliesslich durch ihren tatsächlichen Gebrauch. Und im Süden des Sprachraumes, also in Baden-Württemberg, Österreich bzw. hier in der Schweiz heisst es nun einmal "Perron", "Trottoir" und "Billet". Ganz unabhängig davon, was man im Norden des Sprachraumes für tot oder lebendig erklärt. Mit südeuropäischen Grüssen paTrick

03.11.2022, 18:38:19

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@coolwater

Falls der Perron in Baden-Württemberg noch leben sollte, vermute ich ihn dort in den letzten Zuckungen. Ich muß dort mal Bahnfahrten unternehmen, um zu lauschen, ob da noch was zuckt. 😉 Daß Deutsch eine "plurizentrische" Sprache ist, deren alle Spielarten als gleichermaßen richtig angesehen werden müssen, ist mir bekannt. Es gibt aber im tatsächlichen Sprachleben ein erhebliches Übergewicht und eine auch normsetzende Übermacht des Bundesdeutschen in norddeutscher Aussprache. Es sind ja Österreich und die Schweiz, wo man sich beständig des Eindringens bundesdeutscher Wörter und Wendungen zu erwehren sucht, derweil das Umgekehrte kaum zu sehen ist. Dringt doch mal ein österreichischer oder schweizerischer Ausdruck nach Deutschland vor, so handelt es sich zumeist um einen solchen, der eine besondere österreichische oder schweizerische Sache bezeichnet. Die Tüte fürchtet das Sackerl nicht. In österreichischen Großstädten sollen seit einigen Jahren die Kinder ja sogar richtiggehend wie Norddeutsche sprechen, und von einer besonderen österreichischen Klangfärbung soll da gar nichts mehr zu hören sein. Ein weiteres Beispiel für den "Erstrang" des Bundesdeutschen: Es kommt an den Schulen und Hochschulen des Auslandes kein Mensch auf den Gedanken, Deutsch sei da in der "gleichermaßen richtigen" Aussprache des österreichischen oder schweizerischen Hochdeutschs zu lehren. Wie selbstverständlich wird in aller Welt die bundesdeutsch-norddeutsche Aussprache als das Deutsch gelehrt und gelernt. Es fiele auch in Österreich und in der Schweiz niemandem ein, in der Welt müsse das österreichische oder schweizerische Deutsch gelehrt werden, genauso wie kein Mensch in Österreich und der Schweiz ausländische Filme in einem Deutsch mit österreichischer oder schweizerischer Klangfärbung sünkronisiert gucken wollte. Jedermann würde es auch in Österreich und in der Schweiz als unpassend und lächerlich empfinden, klängen auf der Leinwand die Menschen in New York oder Paris wie in Wien oder Bern. Daß sie klingen wie in Hannover, findet man dagegen auch in Wien und Bern in Ordnung. Nimmt man die Lehre vom Gleichrang aller Deutschspielarten ernst, gölte dies ja nicht nur für das Deutsch in Österreich und in der Schweiz, sondern auch für das Deutsch in Südtirol und Luxemburg, ja sogar für das Deutsch in Liechtenstein und das der deutschen Sprachminderheiten in Ostbelgien und Süddänemark. Größere oder kleinere Besonderheiten haben die alle. Die haben im Sprachleben fürs große Ganze aber erst recht nix zu melden. Wie die Tüte in Eupen oder Apenrade heißt, schert einen, der in New York oder Paris Deutsch lernt, nicht im geringsten. Ich stell' mir immer vor, daß sie auch in Entenhausen eher sprechen wie in Hannover als wie in Wien oder Bern. Ich weiß gar net, ob's dazu Untersuchungen gibt. Das Deutsch der Entenhausener haben wir ja leider nur schriftlich vorliegen, aber aus der schriftlichen Form des Entenhausener Deutschs ließen sich sicherlich einzelne Schlüsse zur Aussprache ziehen.

03.11.2022, 19:53:49

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@coolwater

Apenrade

Süddänemark taucht hier nicht mal als Zweiunddreißigstel- oder Vierundsechzigstelzentrum auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Standarddeutsch#Zuordnung\_zu\_Zentren Die Abweichungen vom bundesdeutschen Hochdeutsch dürften verschwindend gering sein. Es genügte aber schon ein einziger dort gebrauchter "Danizismus", damit ein "Nordschleswiger Deutsch" auf den (schwachen) Füßen steht. Dieser eine Dänischausdruck ließe sich sicherlich finden bei Dingen, die die Schule, die Verwaltung oder anderes des öffentlichen Lebens betreffen. Entenhausen fehlt dort ebenfalls. Mir fällt auch auf die Schnelle gar kein "Anazismus" ein.

03.11.2022, 20:43:46

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Beppo

@beppo

Meine selige Großtante Tille, ein Gelsenkirchener Gewächs aus der Hülsmannstraße (gleich neben der Kampfbahn Glückauf) wurde in der Familie gern mit diesem Ausspruch zitiert: "Hannes geh auf Trottoir!" Sogar dort hat man ein gutes Bairisch gesprochen, wenn auch nicht ganz so gut wie der Herr Rupp. Das beruhte wohl eher auf der Besetzung des Ruhrgebiets durch die Frankobelgier als auf Napoleon, vermute ich mal.

04.11.2022, 03:43:08

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Ostsibirischer Korjakenknacker

@ostsibirischer_korjakenknacker

Aus .at darf ich beitragen, dass Trottoir hier tatsächlich noch gebraucht wird, und auch das Billet wird mitunter noch gelöst (wobei man inzwischen wahrscheinlich eher hört "ey, gibstu Karte, Mann!"). Den Perron habe ich persönlich noch nicht getroffen und hätte ihn beim Hinhören wohl eher für einen Parteigänger von De Gaulle gehalten, oder einen abgehalfterten argentinischen Staatsmann ...

04.11.2022, 06:31:29

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@coolwater

Den Trottoir habe ich im Unterschied zum Perron auch in Deutschland von Vertretern der älteren (ältesten) Generation einige Male gehört. Der Bekanntheitsgrad des Wortes dürfte auch noch höher sein. Ich möchte mal wissen, wieviel Prozent der Bevölkerung in Deutschland sagen könnten, was ein Perron ist. Wenn man wo auch immer den Trottoir deutlich öfter hört als den Perron, spielt natürlich zweifellos die Tatsache mit, daß der erste wesentlich mehr Gegenstand von Gedanken und Gesprächen ist als der zweite. Auf einem Gehsteig hält man sich ja immer auf, wenn man draußen rumlatscht, aber wann spricht man schon über einen Bahnsteig? Bürgersteig, Gehsteig, Gehweg, Fußweg, Fußsteig, Gangsteig, Fußgängerweg: Es ist erstaunlich, wie viele deutsche Bezeichnungen es für die Sache gibt. Vermutlich alles Neuschöpfungen des 19. Jahrhunderts. Da haben die Verdeutscher ganze Arbeit geleistet. Auch: Fahrausweis, Fahrschein, Fahrkarte. Wobei es hier die unerfreuliche Entwicklung gibt, daß sich nach der glücklichen Verabschiedung des französischen Billets anstelle der deutschen Ausdrücke nun das englische Ticket breitmacht. Engel hat recht: Hätte man von vornherein einfach nur "Karte" und nicht "Fahrkarte" gesagt, wäre dem Eindringen von "Ticket" wohl wesentlich mehr ein Riegel vorgelegt. Der Volksmund mag's knapp. Gehweg/Trottoir, Bahnsteig/Perron, Fahrkarte/Billet, Tomate/Paradeiser, Kartoffel/Erdapfel und so weiter und so fort. Ich habe darauf noch nie geachtet und darüber noch nie nachgedacht, aber bei all diesen Dingen, für die man bei uns in den drei "Vollzentren" Deutschland, Österreich und Schweiz verschiedene Wörter kennt, verwendet man, soweit ich sehe, in Entenhausen stets (?) die bundesdeutschen Ausdrücke. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, daß ich beim Lesen der Berichte jemals gestockt hätte, weil aus dem Munde Donalds und Co. statt eines "bundesdeutschen" ein "österreichisches" oder "schweizerisches" Wort tönt. Das ist erstaunlich. Entenhausen liegt schließlich nicht hier bei uns, und es ließe sich ja auch denken, daß Entenhausen als eigenständiges und geographisch-planetarisch völlig losgelöstes Zentrum der deutschen Sprache für diese oder jene Dinge über einen Schock an Wörtern verfügt, die wir auf Terra hominum in Mitteleuropa nun gar nicht kennen. Aber nichts! Für die "bundesdeutsche" Sprache in Entenhausen habe ich fürs erste keine vernünftige Erklärung, sondern muß verblüfft und schulterzuckend auf den "Zufall" verweisen.

04.11.2022, 11:39:47

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@beppo

> Für die "bundesdeutsche" Sprache in Entenhausen habe ich fürs erste keine vernünftige Erklärung, sondern muß verblüfft und schulterzuckend auf den "Zufall" verweisen. Ich glaube, EF hat aus dem Entenhausischen ins Bundesdeutsche übersetzt. Wobei das Entenhausische vermutlich tatsächlich eine akustische Sprache ist, aber vom Deutschen so weit entfernt ist wie das Chinesische. Warum heißt der gleiche Mann einmal Ganofsky und einal Kapuste? Weil es sich in Wirklichkeit um Kar-Ror Gapuz-To-Ki handelt! Das konnte EF ihrer kindlichen Leserschaft natürlich nicht zumuten.

04.11.2022, 15:45:09

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Coolwater

@coolwater

Ich glaube, EF hat aus dem Entenhausischen ins Bundesdeutsche übersetzt. Wobei das Entenhausische vermutlich tatsächlich eine akustische Sprache ist, aber vom Deutschen so weit entfernt ist wie das Chinesische.

Bei dieser Lehre kann ich nicht mitgehen. Der Sprache der Entenhausener als Forschungsgegenstand wäre der Boden entzogen. Wir könnten nie sicher sein, was das wahre "Entenhausisch" hinten dem Fuchsfilter ist. Donalds Sprachkunst wäre die Fuchsens. Die Rede der Entenhausener wäre für uns nur mit ihren Sachaussagen von Belang, und eine englische (Barks!) oder chinesische Übersetzung aus dem "Entenhausischen" tät's ebensogut. Nein, was die Überlieferung von Bild und Wort der Entenwelt durch die Mittler Barks und Fuchs angeht, bekenne ich mich entschieden als "Positivist". Fuchs I und II möchte ich, solange kein Schlaukopf mit einem besseren Einfall anrückt, mit einem Paralleluniversum zum Paralleluniversum erklären (ich geb' zu, das "erklärt" erst mal gar nix).

Es genügte aber schon ein einziger dort gebrauchter "Danizismus", damit ein "Nordschleswiger Deutsch" auf den (schwachen) Füßen steht. Dieser eine Dänischausdruck ließe sich sicherlich finden bei Dingen, die die Schule, die Verwaltung oder anderes des öffentlichen Lebens betreffen.

Das Deutsche Gymnasium in Apenrade kennt einen "Grundverlauf": https://deutschesgym.dk/category/studienrichtungen/ Offenkundig handelt es sich um eine Lehnübersetzung aus dem Dänischen, aus dem Schulwesen in Deutschland ist mir der Begriff unbekannt. Auf dieser Eierschale kann ich meinen Pappkameraden "Nordschleswiger Deutsch" balongzieren lassen. Nicht anfassen, sonst bricht's zusammen. Die Deutschsprecher in Süddänemark bilden die letzten Ausläufer des deutschen Sprachgebiets in Schleswig-Holstein. Es sind nur einige tausend Seelen, und sie siedeln nirgendwo geschlossen, sondern sind überall kleine Minderheit unter Dänischsprechern. Bis 1920 standen sie immer im staatlichen Zusammenhang mit den Deutschsprechern südlich der heutigen Grenze. Voraussetzungen, ein eigenes Sprachzentrum zu bilden, sind also fast gar nicht gegeben. Anders als bei Österreich oder Entenhausen. Um so wundersamer, daß Entenhausen so gut wie nichts an Sonderausdrücken und Eigenprägungen vorweist. "Hört" (liest) man in den Berichten die Entenhausener reden, könnte man glauben, man habe mit einer bundesdeutschen Stadt zu tun. Auch von landschaftlicher, mundartlicher Sonderart ist nichts zu "hören", die Entenhausener erscheinen wie sprachlich ideale "Hannoveraner". Eine besondere Klangfärbung des Entenhausener Deutschs, die sich schriftlich nicht einfangen läßt, will ich freilich nicht ausschließen.

04.11.2022, 16:37:18

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