Das Bohnbuch ist zu der Frage wenig ergiebig. Da geht's für die Zeit nach dreiunddreißig vor allem darum, daß jetzt das Hausfrauenleben in Schwarzenbach losgeht. Zu den "Zeitumständen" führt Bohn jedoch zwei Fuchsäußerungen aus späterer Zeit an, die eher auf ein Abstandhalten zu den Machthabern hindeuten.
Im ersten geht's drum, daß ihr damals eine Laufbahn als Übersetzerin kaum möglich gewesen sei und man ausländisches Schrifttum in den Ursprungssprachen habe lesen müssen, da der Übersetzungen nur wenige gewesen seien:
"Es war damals nicht möglich, beruflich zu übersetzen, glaube ich jedenfalls. Erstens hätte man in die Reichsschrifttumskammer eintreten müssen, und wenn ich mich richtig erinnere, wurden gar keine ausländischen Bücher übersetzt. Man war ja doch der Auffassung, daß eigentlich alle anderen Länder ziemlich dekadent sind. Ich erinnere mich nur an das Buch Vom Winde verweht, das wurde übersetzt … aber das war ja auch ein Kriegsroman."
Schließlich wuchs sie ja in dieser braunen Umgebung auf ?
Man muß dazu sagen: Am 30. Januar 1933 war Erika Fuchs 26 Jahre alt. Was man landläufig als die Zeit des "Aufwachsens" versteht, lag bei ihr da schon ein gutes Stückchen zurück …
"Ihre", Fuchsens – richtiger: Petris –, "ihre" Zeit also waren die zwanziger Jahre. Sie kostete sie zur Neige: kurze Röcke, kurze Haare, Hosen (für die Petri alles bei Bohn "belegt"); englische und französische Schriftsteller, Studienaufenthalte in Lausanne, London und Florenz; weiter Reisen nach Holland, England, in die Schweiz, nach Italien.
Das in der angeführten Fuchsäußerung vermittelte Stimmungsbild, daß ihr nach dreiunddreißig die Zeit nicht "weltläufig" genug war, noch dazu in dem Nest Schwarzenbach (eine Ehebedingung war, daß sie regelmäßig Reisen in die "Weltstadt" Berlin unternehmen durfte), scheint mir verläßlich.
Dann die zweite Fuchsäußerung bei Bohn:
"Je älter ich werde, desto jämmerlicher kommt es mir vor, wie wenig man sich damals gewehrt hat. Also, man war ja froh, wenn man zufriedengelassen wurde. Ich habe sehr viel gewußt, sehr viel erfahren, ganz persönlich, weil ich also Leute kannte, die im Widerstand waren … Daß man nichts gewußt hat, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil das ja in den Reden gesagt wurde. Ganz offen: 'müssen ausgerottet werden'. Als der Krieg zu Ende war, war keiner in der Partei gewesen, und keiner hatte was gewußt."
Das sind nun Überlegungen, die Fuchs ein halbes Jahrhundert nach dem Untergang des Dritten Reiches anstellt; es läßt sich daraus eher weniger entnehmen, wie Fuchs in der Zeit selbst die Dinge tatsächlich sah. Man beachte auch die unpersönliche, Abstand schaffende "man"-Form in diesen Rückschau-Betrachtungen.
Aus der spärlichen mir bekannten Überlieferung ist mein Eindruck, daß die Fuchs eher "unpolitisch" war. Nehmen wir mal an, es gibt haufenweise noch nicht gehobene Briefe oder Tagebucheinträge Fuchsens aus den dreißiger oder vierziger Jahren, würde es mich gar nicht wundern, wenn es darin fast nur um den Alltag, das Leben, Streben, Weben und natürlich die Literatur und Kultur geht, aber sich "große" Betrachtungen zur Politik und zum Gang der Ereignisse in Deutschland und in der Welt wenig bis gar nicht finden.
Ich schätze, Fuchs befand sich – wie die meisten – im breiten Graubereich zwischen "glühender Nationalsozialist" und "Widerstandskämpfer". "Mitläuferin" (?). Es ist aber sicherlich auch nicht allzu verwegen, sich vorzustellen, daß sie 1942 oder 1943 die Dinge möglicherweise etwas anders sah als 1935 oder 1937.
Vielleicht hockt ja das Fräulein Tuschel auf mehr Quellen zu diesem Fragengeflecht.