Wahrscheinlich fragte ich mich schon das erste Mal, als ich als Knabe den Bericht las, wie es der alte Duck schafft, auf dieses Weise alle Zehner von 1916 in die Finger zu bekommen.
Wäre ich Besitzer eines 1916er Zehners und ich läse, hörte, sähe einen solchen Aufruf, ich würde nicht in freudiger Erwartung eines "satten" Gewinns in doppelter Höhe (aus zehn Kreuzer mach zwanzig, wau!) dem alten Geizkragen die Münze sogleich zuschicken. Dagobert Duck ist der reichste Mann der Welt, ein gewiefter Geschäftsmann, bekannt dafür, aus Scheiße Geld zu machen. Die Nachtijall tät' ick bei einem solchen Daueraufruf in Presse, Rundfunk und Fernsehen mehr als trampeln hören, und mein Zehnerlein tät' ich da erst recht nicht aus der Hand geben, sondern hübsch drauf hockenbleiben wie die Glucke auf ihrem Nest und abwarten, was geschieht, um zur rechten Zeit selbst abzusahnen.
Nun ist's so: Es gibt Münzen, die die Menschen bewußt besitzen: in ihren Brieftaschen, Kaffeekassen, Sammelalben, Geldspeichern – aber zig Münzen haben die Leute irgendwo liegen, ohne daß sie's wissen: versteckt in Kellern, auf Dachböden, auf dem Boden von Truhen, in den hintersten Ecken von Schubladen, in Taschen von abgelegten Kleidern, in alten Dosen. Grad etwas Kleines, Flaches wie eine Münze, das man noch dazu gerne für später irgendwo ablegt, neigt dazu, auf diese Weise irgendwo im Besitz – in Häusern, Wohnungen, Scheunen – dem Besitzer "verlorenzugehen": versandet, versickert, versunken. Sollten Zehner von 1916 eine Ausnahme machen?
Weiter: Was ist mit den Zehnern von 1916, die außerhalb der Reichweite von Dagoberts Aufruf gelangt sind – zum Beispiel im Klimpergeld von Ausländern oder von Entenhausenern, die ins Ausland gezogen oder ausgewandert sind, in aller Herren Länder gestreut? Es mag sich nur um einen geringen Teil der Münzen handeln, aber Dagobert ist ja auf alle aus und er bekommt dann angeblich auch alle.
Dann aber: Es gibt sicherlich einige Münzen, die nicht vergessen in alten Möbeln in den hintersten Ecken von Kellern, Dachböden und Scheunen schlummern, sondern die Menschen irgendwo unterwegs in Stadt und Land seit 1916 schlicht verloren haben und die seither keiner gefunden hat. Auch dürften Münzen in alter Kleidung, in alten Möbeln oder in Schrottautos in den unüberschaubaren Bergen der Müllhalden und Schrottfriedhöfe untergegangen sein.
Zuletzt: Einige Münzen dürften nach aller Einschätzung seitdem der Zerstörung oder Vernichtung anheimgefallen sein: weil sie etwa in alter Kleidung, in alten Möbeln oder Autos in Verbrennungsanlagen oder Schrottpressen gelandet sind; oder weil Menschen sie bei sich hatten am Mann oder im Gepäck auf Schiffen, die im Meer sanken, oder in Flugzeugen, die abstürzten.
Dagobert hat mit seinem Aufruf angeblich alle Zehner in seine Finger bekommen. Daß nicht ein einziger der 1916er Münzen einen der von mir gezeichneten Wege in den Verlust oder Untergang beschritten haben soll, ist unglaublich.
Jetzt könnte man wieder eine hübsche spinnerte Theorie basteln. Etwa daß der Münzumlauf in Entenhausen aufs genauste beobachtet oder überwacht ist und somit die Staatsbank stets im Bilde ist, wo sich jede einzelne Münze gerade aufhält; auf Münzen, die noch nicht zu ihm gefunden haben, hätte Dagobert so gezielt zugehen können. Ich sehe aber keine Grundlage für solche Gedanken. Geld und Münzen sind ja recht oft Gegenstand in den Berichten. Im Münzumlauf und im Umgang der Menschen mit Münzen sehe ich keine wesentliche Unterschiede zu dem, wie's bei uns ist (oder vor einigen Jahrzehnten war, vor den elektronischen Zahlmöglichkeiten, die es in Entenhausen offenbar nicht gibt).
Ach, Dagoberts 1916er-Münzrücklaufwunder – mir ist's seit je eins der großen Rätsel von Entenhausen!