Am Wochenende findet in Basel der Jahreskongress der Donaldisten statt. Die meisten Mitglieder sind Akademiker, die in ihrer Freizeit mit den Methoden ihrer Wissenschaft – und Selbstironie – die Parallelwelt Entenhausen erkunden.
Ja, ich bin Donaldist! Ich bin ein überzeugter Fan des Anatiden (Anatiden = Entenartige, eine Spezies, die unseres Wissens nur in Entenhausen vorkommt) im Matrosenjäckchen und seiner Sippe. Ich lese regelmässig die neusten Donald-Geschichten und besitze fast alle der 311 Donald- Duck-Sonderhefte, die monatlich erscheinen. Die Donald-Tasse im Küchenschrank, die Kerze in Donald-Form und der hohle Donald-Kopf, in den ich Kresse säen müsste, waren Geschenke von Mitmenschen, die freundlich, aber mit einer gewissen Ironie auf mein Hobby blicken.
Vielschichtige Figur
Nun, wir Donaldisten sind ungläubiges Kopfschütteln gewohnt und nehmen es geduldig hin – andere bauen schliesslich Modelleisenbahnen oder reisen jedes Jahr zur Saisoneröffnung an die Mailänder Scala. Und die Spötter wissen meist nicht, wovon sie reden. Der hartnäckige Ruf des Comic als minderwertige Gattung hindert sie daran zu sehen, dass Donald eine Figur der Weltliteratur ist – nicht gerade auf dem Niveau von Anna Karenina oder König Lear, aber auf jenem der Brüder Moor in Schillers «Räubern» allemal. Im Gegensatz zu diesen erweist er sich nämlich als runder, vielschichtiger Charakter mit vielen Facetten und inneren Widersprüchen, die ihn so menschlich erscheinen lassen.
Er ist ein autoritär aufbrausender, aber verantwortungsvoller Ersatz-Vater für seine Neffen. Er ist ein Faulpelz und Tollpatsch, kann sich aber in oft dubiose Aktivitäten hineinsteigern, die manchmal sogar zum Erfolg führen. Er wird von seinem reichen Onkel gnadenlos ausgenutzt, steht aber stets loyal zu ihm. Sein aussichtsloser Kampf gegen die Widrigkeiten des Alltags rückt ihn in die Nähe der Figuren Charlie Chaplins. Besonders liebenswert macht ihn seine Fähigkeit sich nie entmutigen zu lassen und nach jedem Fehlschlag neu zu beginnen.
Zugegeben, es gibt viele Duck-Comics, die das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt wurden: schludrig gezeichnete Storys, die hundertfach variierte Handlungsmuster noch einmal wiederholen. Das interessiert mich nicht. Meine Liebe gilt dem Werk von Carl Barks, der schon in den 1960er-Jahren dank seiner witzigen, lebendigen Gestaltung der Figuren zur Legende wurde, den Geschichten von Don Rosa, der absurde Voraussetzungen mit unerbittlicher Logik ins grotesk-komische Extrem treibt, und natürlich der Germanistin Erika Fuchs, die Barks Storys mit kreativem Sprachwitz ins Deutsche übertragen hat.
Donaldistische Forschung
Die rund 6000 Comic-Seiten von Barks/Fuchs bilden auch die Basis der Donaldistischen Forschung, die sich vor allem in Deutschland entwickelt hat. Seit 1977 sind ihre Vertreter (Vetreterinnen gibt es kaum) zusammengeschlossen im Verein «D.O.N.A.L.D.» (Deutsche Organisation der Nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus). Die meisten Mitglieder sind Akademiker, die in ihrer Freizeit mit den Methoden ihrer Wissenschaft – und Selbstironie – die Parallelwelt «Stella Anatium» (Stern der Enten) erkunden, in der Entenhausen liegt.
Barks und Fuchs gelten als Medien, durch die sich «Stella Anatium» uns mitgeteilt hat. So hat der Diplom-Ingenieur für Landkarten-Technik Jürgen Wollina in jahrelanger Arbeit alle geografischen Details in den Bildern von Barks im Computer erfasst und daraus den Stadtplan Entenhausens rekonstruiert. Besonderes Interesse gilt den Eigenarten der Anatiden. Dass die Zahl ihrer Finger variiert, dass sie nur in gewissen Situationen Zähne haben, hat zu interessanten Theorien geführt. Inzwischen gibt es auch in der Schweiz einen regelmässigen Donaldisten-Stammtisch und nun findet erstmals der jährliche «D.O.N.A.L.D.»-Kongress in der Schweiz statt, genauer in der Basler Dreiländer-Region.
Neben geselligen Veranstaltungen in Saint-Louis und Weil am Rhein trifft man sich in Basel zum Symposium, an dem neue Erkenntnisse der Forschung vorgestellt und diskutiert werden. So wird sich ein Referent aus architekturgeschichtlicher und religionswissenschaftlicher Perspektive mit dem Entenhausener Münster beschäftigen. Weitere Untersuchungen widmen sich der Geologie und der Planetologie von «Stella Anatium». Die überzeugendste wissenschaftliche Arbeit wird am Schluss ausgezeichnet mit dem Professor-Püstele-Preis, benannt nach dem verschollenen Entdecker der viereckigen Hühner, die in einem kaum zugänglichen Tal der Anden viereckige Eier legen. Das Symposium ist öffentlich und es dürfte einiges zu staunen und zu lachen geben bei dieser – um Nietzsche zu zitieren – «Fröhlichen Wissenschaft».
36. D.O.N.A.L.D.-Kongress im Museum Kleines Klingental, Sa 13. April, 12 bis 18 Uhr. Eintritt frei, Anmeldung nicht erforderlich. www.donald.org